Statements zum Betriebsrentenstärkungsgesetz

Am 1. Januar 2018 ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft getreten und bringt damit eine umfassende bAV-Reform in Deutschland mit sich. Die Pensions-Akademie hat erste Stimmen eingefangen und den bAV-Markt nach den Chancen aber auch Herausforderungen für den deutschen Pensionsmarkt gefragt.

Frank G. Vogel, Vorstandsvorsitzender der Pensions-Akademie e.V. und Geschäftsleiter KAS BANK N.V. – German Branch

„Das BRSG ist eine äußerst positive Weiterentwicklung im deutschen Pensionsmarkt und wird nachhaltige Impulse setzen. Zum Erfolg können wir es nur gemeinsam führen, so sind Arbeitgeber, Sozialpartner, Arbeitnehmer aber auch Anbieter von bAV-Lösungen in gleicher Weise gefragt, die neuen Strukturen erfolgreich und effizient umzusetzen. Governance wird bei allen Modellen ein integraler Teil der Struktur sein, da Transparenz und Kontrolle in erhöhtem Maß gefordert werden. In Deutschland befinden wir uns oftmals noch in einem Spannungsfeld zwischen „Zwang und Freiwilligkeit“ bei der Einführung erweiterter Governance-Anforderungen. Dabei führen verantwortungsvoll definierte Kriterien zu erhöhter Kontrolle, zu mehr Vertrauen und Transparenz. Letztlich dann auch zu mehr Leistung und somit Erfolg des BRSG.“

Jürgen Scharfenorth, Vorstand der Pensions-Akademie e.V.

„Das BRSG ist ein wichtiger und richtiger Schritt, die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Altersversorgung zu meistern. Für mich ist dies aber nur eine Komponente der Zukunftssicherung und muss durch weitere Maßnahmen flankiert werden. Hier ist die Schlüsselfrage: „Wird die zukünftige Bundesregierung den eingeschlagenen Weg weiter zielgerichtet verfolgen?“. Bereits heute lässt sich erkennen, dass insbesondere auf der Anbieterseite an neuen Modellen mit Hochdruck gearbeitet wird. Nun müssen die Beteiligten Parteien beweisen, dass sie den neu gewonnenen Freiraum in der Anlagepolitik widerspiegeln. Chance und Risiko richtig bewerten und den zukünftigen Rentenanwärtern transparente Entscheidungswege zeigen. Vertrauen schaffen und aufbauen, ist hier die Devise. Eines der wichtigsten Ziele sollte jedoch nicht vernachlässigt werden. Den Mittelstand und deren noch nicht eingebundene Mitarbeiter zu gewinnen und einzubinden! Diese Herausforderung geht mir in der aktuellen Diskussion leider verloren und muss wieder als elementares Ziel in die Agenda mit aufgenommen werden.“

Karl-Peter Bertzel, Beiratsmitglied der Pensions-Akademie e.V.

„Vor knapp einem Jahr sah unsere Einschätzung – insbesondere was die Anstrengungen aller Beteiligten zur Ausweitung der Altersversorgung bei Arbeitnehmern von Kleineren und Mittleren Unternehmen betrifft – durchaus positiv aus. Seitdem ist der große Durchbruch noch nicht sichtbar – in welchen Tarifverhandlungen ist die Altersversorgung ohne Garantieversprechen thematisiert worden – wer hat der Sinnhaftigkeit der Vorgehensweise schon überzeugend vertreten – worin hat sich der Wille der Beteiligten geäußert? Der Schweizer Pfarrer Jeremias Gotthelf hat philosophiert: „Beim Kleinen beginnt alles, und je größer und mächtiger etwas werden soll, desto langsamer und scheinbar mühsamer wächst es“. Vielleicht ist das genau die Ursache für die augenblickliche Situation. Spürbar ist aktuell nur, dass die steuerlichen Anreize sowie die neue sozialversicherungsrechtliche „Riester-Bewertung“ und die Förderung für Geringverdiener in die Gedankenwelt der Verantwortlichen einfließen. Es bleibt spannend, ob eine Verbreitung der bAV in erhofftem Maße in den kommenden Jahren gelingen wird.“

Andreas Fritz, Beiratsmitglied der Pensions-Akademie e.V.

„Wenn man den Sinn und Zweck des BRSG nicht nur in der Einführung einer reinen Beitragszusage sieht, sondern vielmehr in der Verbesserung der Betrieblichen Altersversorgung generell, kann man das Gesetz durchaus als gelungen ansehen.“

Einen ausführlichen Beitrag zum Betriebsrentenstärkungsgesetz von Andreas Fritz und Jennifer Gudatke, Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft finden Sie hier.

Heribert Karch, Geschäftsführer der MetallRente

„Das BRSG ist für die betriebliche Altersversorgung eine Evolution, für die Versicherer ein Game Changer. Bekannte Zusagen und Produkte werden ganz sicher weiterleben, es bieten sich aber gute Möglichkeiten neue Sondervermögen für Zielrenten aufzubauen – mit neuen Freiheiten in der Kapitalanlage. Für diejenigen, die es ernsthaft wollen und in der Vergangenheit ihre bAV-Ressourcen nicht bereits empfindlich geschwächt haben, tun sich neue Optionen auf. Aber die neue Tarifrente stellt auch die Tarifpartner vor erhebliche Herausforderungen, so müssen und wollen sie nicht alles selbst machen. Aber Ihre neue Steuerungsaufgabe schafft einen neuen Rollenkodex. Wer Risiken trägt, muss sie auch steuern können. Und gerade in einer noch ungewohnten Rentenzusage sind die Reputationsrisiken politisch-institutioneller Akteure erheblich. Ebenso können alte Kostenstrukturen nicht weiterbestehen. Konzepte und Konditionen müssen automatisierte und digitalisierte Prozesse auf höchstem Niveau integrieren. Kapitalmarktnah über 40 und mehr Jahre angelegt – die bAV kann sich in Zukunft nicht nur meistens, sondern immer dem ungeförderten Sparen überlegen zeigen.“

Mark Walddörfer, Vorstand der Müllerei–Pensionskasse VVaG

„Mit dem Sozialpartnermodell auf tarifvertraglicher Grundlage und der Einführung der reinen Beitragszusage eröffnet der Gesetzgeber den Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine völlig neue Welt in der betrieblichen Altersversorgung. Die Chancen, aber auch die Risiken der reinen Beitragszusage liegen nun ganz auf Seiten der Arbeitnehmer. Für die Gewerkschaften birgt dies ein bisher nicht gekanntes Reputationsrisiko. Der Umgang damit stellt sie vor ganz neue Herausforderungen. Auch die mangelnde Tarifbindung, insbesondere in der Kernzielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen, lässt Zweifel aufkommen, ob dem Sozialpartnermodell ein nachhaltiger Erfolg beschieden sein wird. Zu wünschen wäre es, denn die Chancen für die Arbeitnehmer auf eine auskömmliche Altersversorgung stehen im weiter andauernden Niedrigzinsumfeld nirgends besser. Umso mehr wünsche ich mir, dass die Tarifvertragspartner, aber auch die Unternehmen ihrer neuen Verantwortung gerecht werden.“

Dr. Torsten Köpke

„Die Zielrente gibt Arbeitgebern eine willkommene Möglichkeit, attraktiver für knapper werdende Fachkräfte zu werden und sich von Wettbewerbern abzuheben.“

Anabel Meichsner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied Deutsche Betriebsrente Datentreuhand e. V.

„Das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat es geschafft, das Thema Altersvorsorge in der Gesellschaft wieder in den Fokus zu rücken – hoffentlich nicht nur kurzzeitig. Die geschaffenen Instrumente, namentlich das Sozialpartnermodell, werden aber nicht wesentlich dazu beitragen, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung, insbesondere bei den Niedrigverdienern, zu erhöhen! Effektive bAV benötigt kein Tarifpartnermodell, sondern kann und konnte bereits mit den bestehenden Regelungen und auch mit Garantien realisiert werden. Eine kleine Verbesserung stellt aber die durch das BRSG erhöhte steuerfreie Dotierungsmöglichkeit für Beiträge an Pensionsfonds, Pensionskasse und Direktversicherung dar. Anbieter von bAV-Produkten und -Dienstleistungen sind jetzt aufgerufen, die durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz geschaffene Aufmerksamkeit für das Thema bAV zu nutzen und Arbeitgebern sowie Arbeitnehmern transparente, leicht verständliche und effektive bAV-Lösungen zur Verfügung zu stellen. Dabei sind die Möglichkeiten der Digitalisierung und eine verbesserte Kommunikation die eigentlichen Treiber für eine Stärkung der bAV in Deutschland.“

Niclas Bamberg, Mitglied des Vorstands TÜV NORD Pension Trust e.V.

„Über das BRSG wurde von der Politik die enorme Wichtigkeit der bAV als Ergänzung der Sozialversicherungsrente erkannt. Dies findet erfreuerlicherweise auch Ausdruck im Opting-Out-Ansatz, mit dem die Durchdringung der bAV in verschiedenen Durchführungswegen maßgeblich unterstützt werden wird. Ob das Modell der Zielrente die Erwartungen der Arbeitnehmer erfüllen wird und damit die Arbeitgeber ihrer Aufgabe in der Unterstützung der Absicherung des Ruhestandes ihrer Mitarbeiter nachkommen können werden, wird sich zeigen. Die eigentliche Innovation dieser Reform liegt für mich in der Differenzierung von Garantie und Sicherheit und den Chancen, die sich durch höhere Renditeerwartungen unter Anwendung anderer Sicherheitsinstrumente, aber auch dem Einsatz nicht versicherungsförmiger Durchführungswege ergeben. Die Gestaltung der bAV unter diesen Rahmenbedingungen wird sehr interessant und herausfordernd.“

Frank Oliver Paschen, Vorstandsvorsitzender Dresdener Pensionskasse VVaG

„Der Tarifvorbehalt steht der bAV-Verbreitung in KMUs und damit in der eigentlichen Zielgruppe des Gesetzes im Weg. Die Komplexität hat nochmals zugenommen und der (grundsätzlich richtige) Garantie-Entfall im Sozialpartnermodell wird angesichts Niedrigzins und genereller Vertrauenskrise Argwohn auf der Arbeitnehmerseite fördern. Eine freie Kapitalanlage und Fabelrenditen wird es angesichts der latenten Risiken und übernommenen Verantwortung der Gewerkschaften nicht geben. Kommunikativ wird das „schmackhaft machen“ des Sozialpartnermodels eine Herkulesaufgabe werden. Masseneffekte sind angesichts des großen Bestandes in Altregelungen nicht kurzfristig zu erwarten, erste Tarifverträge frühestens 2019. Der 5-jährige Evaluierungszeitraum ist daher viel zu kurz gewählt. Angesichts des drohenden Scheiterns hat es auf der Ziellinie des Gesetzgebungsverfahrens handwerkliche Fehler gegeben, wie z.B. den verpflichtenden Arbeitgeberbeitrag in und außerhalb des Sozialpartnermodells, der so die Statik des Gesetzes beeinträchtigt. Es gibt aber quasi als Nebenprodukt auch erfreuliche Inhalte (steuerliche Förderung, Geringverdiener-Zuschuss, Grundfreibetrag, Riester etc.) und alle Anbieter sollten das BRSG trotz seiner Schwächen positiv annehmen, denn das ansonsten drohende Obligatorium wäre die deutlich schlechtere Alternative.“

Olaf Keese, Geschäftsführer EbAV-Consulting GmbH

„Ja, mit dem BRSG ergeben sich neue Impulse für die bAV. Auch und insbesondere für Geringverdiener. Und damit auch für die Verbreitung der geförderten, zweitschichtigen  Altersversorgung bei den „KMUs“. Insbesondere das sehr deutlich attraktiver gestaltete „Riestern“ wird hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Sofern die Berater es schaffen, Arbeitnehmer zweigleisig und optimierend zu beraten: Riester oder Direktversicherung? Zulagen vs. Steuerstundung und Mehrfachverbeitragung? In vielen Fällen wird sich, gerade bei Geringverdienern, das nun entfesselte Riestern als ausgesprochen vorteilhaft erweisen. Denn leider bleibt DIE Flanke der Entgeltumwandlung offen: die Mehrfachverbeitragung. Die nunmehr obligatorische Bezuschussung durch den Arbeitgeber wird nur wenig helfen. Und dies auch nur für den future service und bei neuen Verträgen. Den in den nächsten Jahren exponentiell ansteigenden Kohorten von Neurentnern wird dies nicht helfen. Sie werden nicht mehr durch Freigrenzen entlastet werden. Sie werden die Mehrfachverbeitragung subjektiv und vielfach auch objektiv nachvollziehbar als ungerecht und unvorteilhaft empfinden. Sie werden ihren Unmut laut und deutlich äußern. Und in ihren Betrieben jedwede Anstrengung zur Verbreitung der bAV zumindest erschweren. Ohne eine Entlastung zumindest der arbeitnehmerfinanzierten bAV sind alle Anstrengungen zur Verbreitung der bAV mittelfristig fast schicksalhaft zum Scheitern verurteilt. Hoffentlich ein „to do“ auf der Agenda der nächsten Regierung.“