Gastbeitrag: Entgeltumwandlung 2.0 – Insolvenzschutz einmal anders

bAV 2016: Politik, Parkett und Markt diskutieren über die stagnierende Verbreitung der zweiten Säule in der deutschen Altersversorgung. Im Zentrum steht das Sozialpartner-Modell des BMAS mit der ungelösten Frage des Insolvenzschutzes. Cornelia Rütters und Andreas Fritz kommentieren – und machen einen Vorschlag.

Die nicht zu bestreitende Komplexität des deutschen Betriebsrentensystems einmal außen vorgelassen, sieht die Politik den Hemmschuh in der Angst des Arbeitgebers vor der „Haftungsfalle Betriebsrente“. Bestätigt wird dies durch ein jüngst veröffentlichtes wissenschaftliches Gutachten (Arteaga/Hanau, Rechtsgutachten zu dem Sozialpartnermodell Betriebsrente des BMAS, März 2016).

Die Angst vor unabwägbaren Finanzierungsrisiken soll dem Arbeitgeber nun durch ein dem Sozialpartner-Modell immanentes Konzept des Pay-and-Forget genommen werden.

Ist das nun die reine Beitragszusage – eine Zusage, die keine Haftung außerhalb der Beitragszahlung generiert, eine Zusage, die aus Arbeitgebersicht „sorgenfreie Betriebsrentenversprechen“ ermöglicht? Wie das Bundesarbeitsgericht immer wieder ausführt, sei die reine Beitragszusage schon jetzt möglich. Gefunden hat der Markt sie bislang aber nicht. Sie scheint sich wahrhaft gut zu verstecken, denn auch das Sozialpartner-Modell ist am Ende nicht in der Lage, sie ausfindig zu machen. Es konstruiert vielmehr eine Form der Haftungsübertragung. Diese soll der Versorgungsträger übernehmen. Verschwunden ist die Haftung also nicht; sie ist nur übertragen worden.

Aber warum hängt die bAV-Welt derart an der Haftung, dass – sogar wenn diese nun einstimmig von Politik und Wissenschaft als Hemmschuh diagnostiziert wurde – auch ein brandneues Modell sie nicht abzuschaffen vermag?

Sicher müssen die Renten sein. Sicher müssen auch die Betriebsrenten sein – aber Sicherheit kostet. Die im Sozialpartner-Modell konstruierte Übertragung der Haftung auf den Versorgungsträger soll durch einen Dritten – einen Insolvenzträger – gesichert werden. Wer auch immer dieser Träger sein wird (die Protektor Lebensversicherungs-AG? Der PSV? Der PSV 2.0?), finanziert werden soll und muss der Schutz über Beiträge, denn ohne ausreichende, finanzielle Mittel kann auch der beste Insolvenzschutz nicht einspringen. Dies führt aber im Umkehrschluss unumgänglich zu einer Reduktion der Rentenleistungen – zumal die derzeit nur geringen Erträge des Kapitalmarkts diese Kosten nicht aufzufangen vermögen. So wird der Wunsch, die Versorgung zu schützen, in sein Gegenteil verkehrt. Das als Sicherheitsnetz gedachte Konstrukt wird zum schweren Ballast, der die Versorgung runterzieht, statt sie vor dem Untergang zu bewahren.

Was aber wäre, wenn die bAV sich von diesem allzu allgegenwärtigen Mantra lösen könnte? Was wäre, wenn die bAV diesen Ballast abwirft?

Keep it simple … denn es könnte so einfach sein

Hier ein Vorschlag: Der Arbeitgeber leistet für den Arbeitnehmer einen zusätzlichen Beitrag in das Versorgungswerk und kauft sich so aus der Haftung frei! Der Preis hierfür ist die Sozialkostenersparnis, die ihm im Rahmen der Entgeltumwandlung gewährt wird. Um es so simpel wie möglich zu halten, zahlt der Arbeitgeber an das Versorgungswerk einen pauschalen Zusatzbeitrag in Höhe von 20 Prozent des Entgeltumwandlungsbetrages des Mitarbeiters.

20 Prozent sind ein Wert, der in der Versicherungsbranche nach allgemeiner Erfahrung bislang bei Leistungskürzungen nicht unterschritten wurde. Sind Herabsetzungen erfolgt, so lagen diese regelmäßig unter 15,5 Prozent.

Tritt beim Versorgungsträger keine solche Notlage ein, so ist das Geld – anders als bei einem ausgelagerten Insolvenzschutz – aber auch nicht unwiederbringlich verloren, sondern führt zu höheren Rentenleistungen der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer hat die Chance auf mehr Rente, trägt im Gegenzug dafür aber das Insolvenzrisiko des Versorgungsträgers mit.

Sicherheit? Ja, aber nicht um jeden Preis. Irgendwann muss die bAV sich die Frage stellen: Chance auf Neues oder Festhalten an nicht mehr realisierbaren Konzepten. Ein Umdenken ist notwendig! Bereits der Blick hinaus über die Grenzen Deutschlands zeigt Modelle und Mentalitäten – mit weit mehr Potenzial und dem notwendigen Weitblick für den Aufbau einer effektiven Altersversorgung.

Cornelia Rütters ist Juristin bei der der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft VVaG,  Andreas Fritz ist Vorstand der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft VVaG und Beiratsmitglied der Pensions-Akademie.

Der Originalbeitrag erschien am 18. August bei Leiter-bAV.