Gastbeitrag: Von fehlender Nachvollziehbarkeit, Angst und Wettbewerbsverzerrung

Das Bundesarbeitsministerium hat jüngst in bemerkenswerter Kurzfristigkeit einen Referentenentwurf zu einem Einbezug von Pensionskassenzusagen in den PSV-Insolvenzschutz vorgelegt. Cornelia Rütters, Ina Niebur und Andreas Fritz kommentieren den Regierungsvorstoß.

Offensichtlich sah sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) anlässlich der noch ausstehenden Entscheidung des EuGH (Az. C-168/18) betreffend die Auslegung der EU-Richtlinie 2008/94/EG über den Schutz von Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers veranlasst, die im Rahmen des entsprechenden Referentenentwurfes vom 12. November 2019 detailliert aufgeführte „Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (7. SGB IV-ÄndG) anzustoßen – ohne bisherige Abstimmung mit den weiteren Bundesministerien.

1. Kritik an obligatorischer und unbegrenzter Haftung

Vorangestellt sei zunächst angemerkt, dass die avisierte Gesetzesänderung schon dem Grunde nach nicht nachvollzogen werden kann. Bei dem Sachverhalt, der dem o.g. anhängigen Vorabentscheidungsverfahren C-168/18 zugrunde liegt, handelt es sich um einen sehr speziellen Einzelfall. Der Bedarf, diesen speziellen Fall insgesamt zu verallgemeinern und auch für Pensionskassen durch einen obligatorischen und unbegrenzten PSV-Schutz gesetzlich zu regeln, ist nicht erkennbar.

Ungeachtet dessen erscheint die vom BMAS beabsichtigte Gesetzesänderung deshalb höchst fraglich, da hierdurch der noch ausstehenden Entscheidung des EuGH zu o.g. Az C-168/18 inhaltlich vorgegriffen wird. Die offensichtliche Angst des BMAS vor einer möglichen Staatshaftung führt sogar dazu, dass der fragliche Referentenentwurf eine obligatorische und insbesondere pauschale Haftung des PSV unabhängig von der konkreten Höhe einer etwaigen Leistungskürzung vorsieht. Dies hätte zur Folge, dass nach dem Referentenentwurf in bisheriger Fassung ein PSV-Schutz bezeichnenderweise auch ab der marginalsten Leistungskürzung greifen würde, während demgegenüber auf europarechtlicher Ebene gefordert wird, dass „jeder einzelne Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers Leistungen bei Alter erhalten muss, die mindestens 50% des Werts seiner erworbenen Ansprüche aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entsprechen“ (Urteil des EuGH vom 6. September 2018, Az. C-17/17).

2. Wettbewerbsrechtlicher Nachteil zulasten regulierter Pensionskassen

Die vom BMAS geplante Gesetzesänderung führte im Ergebnis dazu, dass bei regulierten Pensionskassen weder die versicherungsförmige Lösung noch eine Liquidationsübertragung weiterhin möglich sein würden.

Nach dem Referentenentwurf soll hierfür Voraussetzung sein, dass die jeweilige Pensionskasse dem Sicherungsfonds Protektor angehört, was regulierten Pensionskassen wie der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) – anders als deregulierten Pensionskassen – jedenfalls derzeit per se versagt ist. Insgesamt ist hierin ein nicht verhältnismäßiger Wettbewerbsnachteil zulasten regulierter Pensionskassen zu sehen.

3. Sonstiges

Der zusätzliche Erfüllungsaufwand wäre – wie im Rahmen der Begründung des Referentenentwurfs vom 12. November 2019 selbst ausgeführt – sowohl für die Wirtschaft als auch für die Verwaltung massiv belastend. Die mit der avisierten Gesetzesänderung einhergehenden Melde-, Auskunfts- und Informationspflichten von Arbeitgebern und Pensionskassen würden darüber hinaus ebenfalls einen enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand auslösen.

In diesem Zusammenhang ist bereits fraglich, ob die den Pensionskassen nach dem Referentenentwurf obliegenden und insbesondere auch bußgeldbewährten Informations- und Mitteilungspflichten rein faktisch überhaupt umfassend erfüllt werden könnten. Beispielhalber sei insoweit anzumerken, dass die PKDW eine branchenoffene Pensionskasse ist, der aktuell über 600 Trägerunternehmen angehören. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die ihre Mitarbeiter als alleinige Versicherungsnehmer bei der PKDW anmelden, mit denen selbst ein Versicherungsverhältnis aber gerade nicht begründet wird. Infolgedessen erfährt die PKDW oftmals nur zufällig von der Insolvenz eines ihrer Trägerunternehmen.

Abschließend sei insgesamt die Kurzfristigkeit kritisiert. Dies gilt einerseits im Hinblick auf die bereits am morgigen 5. Dezember 2019 endende Frist zur Stellungnahme und andererseits zu der avisierten Umsetzung zum Jahr 2020. Mit dieser Kurzfristigkeit versucht das BMAS offenbar, die Möglichkeiten der Einflussnahme von Verbänden und Fachorganisationen einzuschränken, und nimmt hierbei eine wettbewerbsschädigende Ungleichbehandlung innerhalb des Durchführungsweges Pensionskasse in Kauf.

Cornelia Rütters ist Juristin und Leiterin Recht bAV bei der der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft, Ina Niebur ist Juristin der Abteilung Recht bAV der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft und Andreas Fritz ist Vorstand der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft und Beiratsmitglied der Pensions-Akademie.